Mittwoch, 23. Oktober 2013

Serie Eifersucht, Teil 1: meine eigene


(Bild: Alyson Hill)


Das alte Gespenst Eifersucht entpuppt sich als schmutziges Bettlaken mit Löchern. Lästig, aber ungefährlich.
(aus "111 Gründe, offen zu lieben")

Eifersucht ist wahrscheinlich die größte Schwierigkeit, wenn man neu ist auf dem Weg der Polyamorie. Wir sind durch das monogame Menschenbild unserer Gesellschaft darauf geprägt, Eifersucht als normal, notwendig, ja sogar als Beweis von Liebe zu betrachten. Wenn man merkt dass man polyamor ist oder sein möchte, kommt man nicht darum herum, sich mit der Eifersucht auseinanderzusetzen.

In einer kleinen Serie möchte ich darauf eingehen, was Eifersucht bedeutet und wie man damit umgehen kann, bezogen auf verschiedene Personen.

Den Anfang macht dabei die wichtigste Person in unserem Leben: wir selbst.
Unsere eigene Eifersucht ist diejenige, auf die wir am meisten Einfluss haben. Wenn wir den richtigen Umgang damit gelernt haben, können wir uns viel leichter mit anderen Schwierigkeiten auseinandersetzen. Außerdem finde ich es wichtig, ein gutes Vorbild zu sein.

Was ist Eifersucht überhaupt?

Meiner Meinung nach ist Eifersucht weder ein Zeichen von Liebe noch irgendein Selbstzweck. Eifersucht ist ein Zeichen, das auf ein darunterliegendes Problem hinweist. Das können unterschiedliche Dinge sein. Und je nachdem wo die Eifersucht herkommt, gibt es auch unterschiedliche Wege damit umzugehen.

Im Allgemeinen denke ich, dass es nicht hilfreich ist, Eifersucht-auslösenden Situationen aus dem Weg zu gehen. Nur wenn man sie erlebt und sich damit auseinandersetzt, kann man lernen damit besser umzugehen. Auch wenn es am Anfang unangenehm ist - es lohnt sich, was man dadurch lernen kann.

Angst: Wenn mein Freund jemand anderen interessant findet, was wird passieren?
Wird er mich verlassen? Mir ist die Situation unheimlich, weil ich nicht weiß, womit ich rechnen kann.

Wenn du wirklich nicht weißt, was passieren wird, rede mit deinem Freund darüber. Das schöne an der Polyamorie ist: nur weil man sich neu verliebt, muss man seinen Partner noch lange nicht verlassen. In einer offenen Beziehung brauchst du also viel weniger Angst haben, verlassen zu werden.

Frage dich außerdem, ob du dich von deinem Freund abhängig fühlst. Hast du nur Angst, ihn als geliebten Menschen zu verlieren, oder hängt an dieser Beziehung noch mehr dran? Wenn du dich durch seinen Verlust bedroht fühlst (anstatt nur traurig), seid ihr wahrscheinlich in eine Abhängigkeit geraten. Das ist grundsätzlich belastend für eine Beziehung. Wenn du das Gefühl hast, dein Freund ist für dein Glück und Unglück verantwortlich, dann kannst du die Angst besiegen indem du dir klar machst, dass du auch ohne ihn vollständig bist. Dass du ihn nicht brauchst, sondern willst. Eine Beziehung, die auf so einer Freiwilligkeit beruht, ist viel schöner, gesünder, und weniger mit Angst belastet.

Selbstzweifel: Was bin ich noch wert für meinen Freund? Bin ich gut genug oder verliere ich im Vergleich? Was hat sie, was ich nicht habe?

Jeder Mensch ist einzigartig. Und unersetzlich. Sicher hat sie irgendetwas, was du nicht hast. Aber umgekehrt gilt das auch. Wenn alle Menschen gleich wären, würde im Prinzip einer genügen. Aber Menschen sind unterschiedlich, und dein Freund liebt dich als Person und nicht nur eine einzelne Eigenschaft an dir. Deswegen brauchst du dich nicht mit jemand anderem vergleichen, denn es geht ja gar nicht um einen Wettbewerb. Bleib dir selber treu, du bist liebenswert genau so wie du bist. Ansonsten wäre dein Freund schließlich gar nicht erst mit dir zusammen, oder?

Neid und Hemmungen: ich wäre auch gerne so, wie die Person auf die ich eifersüchtig bin. Aber ich traue mich nicht, weil ich zu unsicher bin/Angst habe. Oder ich weiß nicht wie ich da hinkommen kann. Oder ich gestehe mir nicht zu, meinen Wünschen zu folgen weil ich mich nicht würdig fühle. Und jede Erwähnung dieser Person führt mir das vor Augen.

Wenn du deine Hemmungen erkennst, kannst du sie hinterfragen. Warum erlaubst du dir nicht, das zu verfolgen was dir gut tut? Nimm deine Eifersucht als Ansporn, um dich weiter zu entwickeln, Neues auszuprobieren, dich zu entfalten. Dann brauchst du den inneren Vergleich mit anderen Leuten nicht mehr zu scheuen, denn du weißt dass du in deiner besten Form bist.

Unerfüllte Bedürfnisse: ich fühle mich vernachlässigt, weil mein Freund etwas mit jemand anderem teilt, was ich auch gerne (mehr) mit ihm teilen möchte. Ich wünsche mir mehr Aufmerksamkeit.

Wenn das der Grund deiner Eifersucht ist, dann ist Reden angesagt. Teile deinem Freund mit, dass du dich vernachlässigt fühlst. Sucht zusammen nach Möglichkeiten, wie du das bekommen kannst, was für dich wichtig ist. Wenn du genügend davon bekommst, ist eine weitere Person kein rotes Tuch mehr nur weil sie auch etwas abkriegt. Es ist genug für alle da, aber man muss seine Bedürnisse erst kommunizieren damit sie erfüllt werden können. Erwarte nicht von deinem Freund, dass er Gedanken lesen kann oder deine Wünsche durch Zufall erfüllt.

Allen Themen gemeinsam ist der folgende Rat: lerne, Verantwortung für deine Gefühle zu übernehmen. Niemand anders trägt die Schuld dafür, wie du dich fühlst. Niemand kann dafür sorgen dass du dich schlecht fühlst, außer du lässt es zu.
Wenn du selber für dein eigenes Glück verantwortlich bist, fühlst du dich nicht mehr bedroht und ohnmächtig. Du kannst dich entwickeln wie du willst, und wenn du mit dir selbst zufrieden bist, erledigt sich das mit der Eifersucht fast von alleine.


Ich bin ein Bisschen überrascht von mir selber, während ich das hier schreibe. Ich schreibe das dazu, um allen Lesern Mut zu machen, die Schwierigkeiten damit haben, sich selbst genug zu sein - es ist viel einfacher als ich dachte!

Noch vor ein paar Monaten war ich z.B. selbst eifersüchtig auf eine Freundin von Rafael. Selbst als er sagte dass er mit ihr sowieso keine Beziehung anfangen könnte (aus Gründen die in ihrer Person liegen) hat das nicht viel geändert. Ich lernte, mich mit meiner Eifersucht zu beschäftigen und herauszufinden, was dahintersteckte. Ich war zu dieser Zeit ziemlich unzufrieden mit mir selbst und meinem Leben. Sie hingegen war in meinem Kopf nur ein idealisiertes Bild von hübsch, niedlich und unschuldig. Scheinbar ohne Probleme. Deshalb rührte sich der Neid auf bestimmte Eigenschaften dieser Frau, die ich auch gerne gehabt hätte. Und indem ich darüber nachgedacht habe, konnte ich für mich selber einschätzen, ob ich bereit bin das nötige dafür zu tun, oder ob diese Eigenschaften überhaupt so wünschenswert sind wie sie auf den ersten Blick wirkten.
Außerdem habe ich erkannt, dass ich Angst darum hatte, nicht mehr der wichtigste Mensch in seinem Leben zu sein, weil er mit ihr so engen Kontakt hatte. Ich hatte auch Angst, dass er wegen ihr nicht immer für mich verfügbar ist. Und dadurch, habe ich erkannt dass ich mein Glück von ihm abhängig gemacht hatte, und konnte das ändern. Damit hat sich die Angst auch erledigt. Ich muss jetzt nicht mehr die Wichtigste sein. Was zählt, ist dass ich mit Rafael eine schöne Zeit verbringen kann und wir füreinander da sind, wenn es nötig ist. Das hat nichts damit zu tun, wer sonst noch in seinem Leben eine Rolle spielt.

---
Wenn euch dieser Post gefallen hat, freue ich mich wenn ihr ihn mit euren Freunden teilt - einfach die ensprechenden Buttons anklicken. Wenn ihr Ideen und Gedanken dazu habt, freue ich mich über einen Kommentar oder eine e-mail.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen