Samstag, 1. Februar 2014

Persönlichkeit, Schubladen und Ankreuzfragen

(Bild: grusskarten-e-cards.de)

Ich habe ja ein sehr zwiegespaltenes Verhältnis zu Schubladen.

Einerseits bin ich oft unzufrieden mit dem Druck, mich in eine der gesellschaftlich vorgegebenen Schubladen (wie z.B. Freundschaft/Beziehung/Affäre) einsortieren zu müssen. Ich finde es schade, Menschen so undifferenziert zu betrachten und fühle mich (oder meine Beziehung im eben genannten Beispiel) dann als vielschichtiges Individuum nicht genügend wahrgenommen. Ich presse mich nicht gerne nur der Sprache halber in eine Form, die ich nicht als wirklich passend empfinde.

Gleichzeitig aber kann ich gut nachvollziehen, dass der Mensch Begriffe und Schubladen braucht, um überhaupt eine Einschätzung über seine Umwelt haben zu können, weil wir sonst mit der schieren Menge an ungefilterten Informationen einfach überfordert wären. Und ich möchte es auch gerne einfacher haben, mich und meine Mitmenschen richtig einschätzen zu können.
Deswegen haben mich Systeme, die versuchen, die Persönlichkeit oder die Einstellung zu bestimmten Themen in verschiedene Typen einzuordnen, schon immer fasziniert.

Die typischen Ankreuzfragen-Tests aus Zeitschriften u.ä. haben mich immer neugierig gemacht, aber meistens konnte ich sie gar nicht bis zum Ende bearbeiten, zumindest nicht ernsthaft. Sehr oft stehe ich vor einer "A, B oder C" Frage und wünsche mir eine der folgenden Antwortmöglichkeiten:
- alle drei
- nichts davon, sondern D
- A und B in etwa gleich stark und C ein bisschen weniger, aber kommt eigentlich sehr auf die Situation an
- ich würde A wählen, aber aus völlig anderen Gründen als die Macher des Tests jetzt daraus schließen werden
- die Frage ist falsch gestellt weil sie eine Ausgangssituation voraussetzt, in der ich mich nie befinden könnte
...
(mit etwas Überlegen lässt sich wahrscheinlich noch weiteres hinzufügen)

Mit dem Ergebnis, das bei solchen Tests rauskommt, kann ich mich also auch nur selten wirklich identifizieren, und das einzige Merkmal an mir, was ich dabei zuverlässig feststellen konnte, ist Unentschlossenheit und Unfähigkeit sich mit vorgegebenen Schubladen abzufinden.
Selbst bei relativ differenzierten und bekannten Tests wie dem Myers-Briggs-Typindikator stehe ich bei sehr vielen Fragen davor und denke "ich bin gleichermaßen beides", "kommt total drauf an", oder "ich bin keins von beiden".

Das macht mich, im Nachhinein betrachtet, auch skeptisch gegenüber meinen Versuch, eine Skala von zwei Poly-Beziehungs-Typen zu konstruieren. Die Reaktionen die ich darauf bekommen habe, enthielten ziemlich viel "das kommt auf die Situation an", "ich bin beides oder keins von beiden" oder  "ich habe Eigenschaft A von Typ 1 und Eigenschaft B von Typ 2". Wie ich auch selber schon irgendwie vermutet hatte: diese Einteilung ist leider zu sehr verallgemeinert als dass sie für viele Leute passend wäre.

An sich würde ich aber sehr gerne ein System kennen, das genau genug ist und die passenden Schubladen zur Auswahl hat, wo nicht nur ich den Platz finde an dem ich mich wohlfühle, sondern alle Menschen. Denn selbst wenn so eine Typisierung immer etwas verallgemeinernd ist, ist es doch irgendwie schön, sich mit Anderen in die selbe Gruppe einordnen zu können. Außerdem kann man durch diese vereinfachte Darstellung der Realität vielleicht Zusammenhänge erkennen und verstehen, die in der ungefilterten Wirklichkeit zu komplex sind, um sie zu überblicken.

Wie komplex müsste so ein Schubladensystem wohl sein, damit jeder sich dort eindeutig zuordnen könnte? Das kann ich natürlich nicht genau sagen, und es kommt sicher auch darauf an um welches Thema es geht. Ich würde sagen: Je allgemeiner das Thema, desto schwerer die Aufgabe, diesen Schubladenschrank zu bauen.

Was mich eigentlich dazu inspiriert hat, diesen Artikel zu schreiben, ist mal wieder ein Fundstück in den Weiten des Internets. Nämlich ein Versuch von jemand anderem, eine Typisierung von Poly-Beziehungsverhalten aufzustellen. Und in diesem Test gab es mal ausnahmsweise erfreulich wenig Fragen, bei denen ich mich durch keine der Auswahlmöglichkeiten repräsentiert fühlte.

Für meine persönliche Auswertung dieses Tests werde ich gleich einen eigenen Eintrag schreiben. Jetzt interessiert es mich erstmal, wie ihr das seht:
Findet ihr auch oft keine Antwort und keine Schublade passend für euch? Faszinieren euch Schubladen auch trotzdem irgendwie?
Welche Tests/Typisierungen habt ihr schon so gemacht, die ihr dann doch mal als passend/differenziert genug empfindet?

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4 Kommentare:

  1. "Pokémaster" Matthias2. Februar 2014 um 10:31

    Ich denke das man vor allem im Hinterkopf behalten muss, dass solche Modelle ein Problem vielleicht veranschaulichen können, dabei aber immer in einem Kontext zu sehen sind. Das Modell über diesen Rahmen hinaus für richtig zu halten, führz zu Schwierigkeiten, allen voran Vorurteilen.
    Ich sage beispielsweise ganz gerne, dass ich mich genausogut mein Leben lang mit einer einzigen Partnerin zufrieden geben könnte, wie mit einer einzigen Speise. Das heißt aber nicht, dass von meinen Partnerinnen nur noch Scheiße übrig ist, wenn ich mit ihnen fertig bin

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    1. Hihi, was für ein Vergleich ;-)

      Wie meinst du das mit dem Kontext?
      Also ich denke, der Kontext ist bei dem jeweiligen Modell ja mit vorgegeben, also zu Beispiel bei meinem Modell (was ja zugegebenermaßen zu stark vereinfacht war, aber ich nehm es jetzt trotzdem mal als Beispiel) war der Kontext "wie verhält man sich wenn die Übereinstimmung der Interessen/Anziehung zwischen zwei Menschen zwar deutlich vorhanden aber nicht (beinahe) komplett ist?"

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  2. "Pokémaster" Matthias3. Februar 2014 um 14:43

    Und ich würde dieses Modell als richtig ansehen, wenn man dazusagt, dass man in manchen Situationen die Typ-1-Verhaltensweise hat und in manchen Situationen die Typ-2-Verhaltensweise. Ich sehe auch das Problem, dass es schwierig werden kann, wenn 2 potentielle Partner sich in einer Situation gegensätzlich extrem verhalten. Um diese Problematik zu veranschaulichen, taugt das Modell ganz gut.
    ABER
    Man darf dabei nicht vergessen, dass es um eine konkrete Situation und zwei extreme Verhaltensweisen geht. Nur sehr eindimensionale Menschen verhalten sich in jeder Situation nach dem gleichen Muster (bzw das einheitliche Muster ist so komplex, dass man es nur schwer modellieren kann) und die meisten Menschen handeln nur in Ausnahmefällen extrem.
    Das Modell kann also eine bestimmte Problematik gut darstellen, es wäre aber falsch alle Menschen (oder auch nur die meisten) für alle Situationen darüber darstellen zu wollen

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  3. Dein Text ist so toll geschrieben! Ich denke auch so, kann mich aber leider nicht so gut ausdrücken :)

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